2016 habe ich zum ersten mal von Bitwig Studio gelesen. Damals war die Software noch in der Version 1.3 und ein aufstrebender Underdog. Im Frühjahr 2017 erschien dann die Version 2.0 und Bitwig sorgte für Aufmerksamkeit, weil sie die Modulatoren einführten. Da habe ich die DAW dann sofort gekauft.

Bitwig Studio 4 (Quelle: bitwig.com)

Ich habe schon viele Digitale Audio Workstations ausprobiert. Ganz früher habe ich mal eine Raubkopie von Cakewalk benutzt (als Studenten konnten wir uns Ende der 90er sowas noch gar nicht leisten), dann Cubase Artist, Garage Band und ein paar Jahre später dann Reaper. Dann wurde ich auf Bitwig Studio aufmerksam, habe später aber nochmal mit Ableton, Studio One, Logic Pro und Reason geflirtet. Außerdem habe ich noch einen Blick auf Renoise und Tracktion Waveform geworfen. Allerdings bin ich seit 2017 immer wieder zu Bitwig Studio zurückgekehrt.

Derzeit nutze ich fast ausschließlich Bitwig, das Reason– und VCV Rack. Aber was macht diese DAW so besonders für mich? Zunächst einmal muss ich klarstellen, dass für mich keine DAW einen bestimmten Workflow vorschreibt. Den Workflow bestimme immer noch ich und ich denke ich kann fast jeder Software diesen Flow aufzwingen. Bitwig Studio kann da sogar eher hinderlich sein, weil die Software so viele abgefahrene Möglichkeiten für’s Sound Design mitbringt, dass man auch schnell mal abgelenkt ist 😉

Bitwig Studio hat sich auf jeden Fall von Anfang an von Ableton Live inspirieren lassen. Der Clip Arranger, die Ansicht der Instrumente und Effekte im unteren Bildschirmbereich. Das sind alles Sachen, die schon an Live erinnern. Aber im Grunde sind ja alle DAWs recht ähnlich.

Bitwig: Clip – und linearer Arranger

Fangen wir doch einmal ganz vorne an. Ich mag das GUI. Es ist schlicht, funktionell und elegant. Man kann nicht allzu viel verändern, was ich eigentlich ganz gut finde. Seit Kurzem hat man allerdings die Möglichkeit, die Farben für die Tracks und Clips selbst zu bestimmen, weil man eigene Farbpaletten importieren kann. Aber den Hauptteil der Benutzeroberfläche kann man nicht großartig verändern … und das ist auch gut so.

Ich weiß noch, dass ich damals bei Reaper mehr Zeit damit verbracht habe, ein Theme auszuwählen, als Musik mit der Software zu machen. Paradox of Choice! In Bitwig sehen auch die Instrumente und Effekte recht einfach aus, aber trotzdem wunderschön … wie ich finde.

Die Mischung aus anthrazit / grau und orange spricht mich einfach an. Ich mochte auch die Schlichtheit von Ableton Live, aber Bitwig ist einfach noch schöner.

Damit wären wir auch gleich beim nächsten Punkt: Die Instrumente! Bitwig verfügt derzeit über 14 Instrumente, wenn man die Drum Machine mitzählt. Und auch wenn ich kein großer Synthesizer Fan oder Nutzer bin, spiele ich des öfteren zum Designen von Sounds mit den Sachen in Bitwig herum. Ein besonders großer Pluspunkt ist der Sampler! Anfangs war dieser noch recht einfach, aber seit der Version 2.4 ist das Teil der Wahnsinn!

Bitwig Sampler

Man kann damit alles machen, was man will. Er ist hervorragend für echte gesamplete Instrumente mit mehreren Velocity-Ebenen und Round Robin geeignet. Er ist ein großartiges Sound Design Tool, wenn es darum geht aus einem einzelnen Sample irgendwas Abgefahrenes zu machen.

Er sieht recht simpel aus, kann aber so viel mehr als es den Anschein hat. Das ist bei den meisten Devices von Bitwig so. Auf den ersten Blick sehen sie recht einfach aus, aber man darf nicht vergessen, dass diese DAW einen modularen Ansatz verfolgt und man alles mit allem kombinieren kann.

Bitwig verfügt über verschiedenste Synthesizer. Polysynth ist ein einfacher Subtractive Synth, FM-4 ein FM-Synthesizer, Phase-4 ist ein Phase Modulation Synth, der sich von der guten alten Casio CZ-Reihe hat inspirieren lassen. Polymer kann im Grunde alles sein, auch ein Wavetable Synthesizer. Und dann gibt es da noch das Poly-Grid, aber dazu später mehr…

Bitwig’s Polymer

Genauso so zahlreich und nützlich die Instrumente, sind natürlich auch die verschiedenen Effekte und Tools, die Bitwig Studio mitbringt (wenn man alle Container und Tools mitzählt, kommt man in Bitwig auf über 60 Effekte). Im Laufe der letzten Jahre wurden immer mal wieder neue Effekte hinzugefügt. Natürlich finden wir hier einfache und grundlegende Sachen, wie EQs, Kompressoren, Delays und Reverbs. Aber auch spannende Sachen wie das Treemonster, einen guten Bitcrusher, Amp, Vocoder, Saturation, Resonator Bank und Transient Control.

Relativ neu ist Plus-Serie, die zuerst den EQ+ einführte und später dann Chorus+, Delay+, Phaser+ und den Flanger+. Diese Effekte sind richtig flexibel und emulieren teilweise bekannte Bodeneffekte für Gitarristen. Diese Effekte haben die Sammlung in Bitwig nochmal richtig aufgewertet.

Vor Kurzem ist dann nochmal der Convolution Reverb mit einer hervorragenden Bibliothek an Impulse Responses dazugekommen (nur deswegen habe ich im Frühjahr meinen Upgrade Plan erneuert). Die neueste Serie von Effekten (seit Version 4.4) ist wieder ein Traum für Sound Designer: Die Spectral Suite. Vier Effekte, mit denen man das Signal anhand verschiedenster Parameter splitten und getrennt voneinander verbiegen kann.

Bitwig’s Convolution

Hier wird dann nochmal die Modularität der DAW unterstrichen. Die Effekte haben fast alle die Möglichkeit mit weiteren Effekte versehen zu werden. Aber nicht wie in anderen DAWs: In den meisten DAWs kann man Effekte nur in Serie verkabeln oder vielleicht parallel. Bitwig bietet in vielen Effekten die Möglichkeit an, weitere Effekte in das Wet-Signal einzubetten, oder z.B. nur in die Feedback Loop eines Delays … das ist schon echt nice!

Der nächste Punkt auf meiner Liste sind natürlich die Modulatoren. Was war das damals mit der Veröffentlichung der Version 2.0 für eine Aufregung, als Bitwig diese Teile vorstellte! Viele Synthesizer haben eigene Modulatoren verbaut: LFOs, Envelope Generators oder auch Velocity Dingens. Auch manche DAWs bieten solche Möglichkeiten: Ableton hat ein paar Devices, Tracktion Waveform, Reaper, …

Aber so elegant und zahlreich hat sie nur Bitwig Studio integriert. Jedes Device kann sie aufnehmen und nutzen, egal ob Instrument oder Effekt, egal ob eigenes Device oder VST Plugin … so einfach konnte man Modulatoren noch nie verwenden! Und Bitwig hat gleich 38(!) davon. Logisch, dass da viele Konkurrenten mitziehen wollen. Die neue Version von Kilohearts Snap Heap hat mittlerweile auch Modulatoren, allerdings kann man in Snap Heap nur Kilohearts Effekte nutzen…

Bitwig’s Modulatoren

Neben all diesen Sound Design Tools bietet Bitwig Studio natürlich alles, was man von einer Recording Umgebung erwartet. Audio– und Midi-Recording, Automation, (mittlerweile) Comping, Time-Stretching. All das, was andere DAWs auch machen und was zum Standard gehört.

Was Bitwig besser oder anders macht, sind die Integration von Sound Design Tools und die Modularität der DAW. Das ist sicher nicht jedermanns Sache (Stichwort: Rabbit Hole), aber in meinen Augen macht es Bitwig zu einem spannenden Stück Software. Diese Modularität haben sie mit Einführung der Version 3 dann nochmal auf die Spitze getrieben: The Grid!

Die Instrumente und Effekte in Bitwig sind absichtlich recht rudimentär gehalten, weil man eben die Möglichkeit hat, diese in verschiedenster Weise miteinander zu kombinieren. Dazu gibt es unterschiedliche Werkzeuge: Mid-Side-Splitter, Multiband-Splitter, FX- und Instrument-Container, usw… Aber mit dem Grid kann man nun noch mikroskopischer vorgehen gehen und sich selbst Devices bauen – egal ob Instrument, Effekt oder auch Midi-Sequenzer.

Bitwig’s Grid

Das Poly-Grid, FX-Grid oder Note-Grid sieht zunächst einmal aus, wie jedes andere Bitwig Device. Wenn man aber in das Editor-Fenster klickt öffnet sich eine kleine Welt mit grundlegenden Bausteinen, die man wie Lego-Bausteine kombinieren kann und sich so im Grunde alles mögliche selbst bauen könnte.

Man könnte das Grid als Zwischending aus modularem Synth und Pure Data – oder Max Patcher bezeichnen. Aber das Grid ist etwas einfacher zu bedienen, als die oben genannten Programme, weil viele Dinge einem schon abgenommen werden. Ich kenne keine andere DAW, die so etwas so elegant integriert hat. Klar, Ableton Live hat Max For Live … aber das ist nicht so ein eleganter Bestandteil der DAW.

Das waren so grob die Punkte, die mich an Bitwig Studio fesseln. Das hier soll kein Werbeartikel für Bitwig sein. Ich wollte nur mal kurz aufschreiben, was mich an der Software fasziniert und vielleicht hilft es ja dem ein oder anderen bei der Wahl seiner neuen DAW…

Eine Lizenz kostet derzeit 399,- € und es gibt einen Rabatt für Schüler und Studenten, der derzeit 269,- € kostet. Mit dem Erwerb dieser Lizenz kann man die Software unbegrenzt und für immer nutzen. Man bekommt allerdings nur Updates für ein Jahr. Falls man später wieder ein Update machen will, muss man 169,- € hinblättern. Dieses Upgrade beinhaltet dann wieder weitere Updates für ein Jahr. Klingt kompliziert, ist im Grunde aber total einfach und in meinen Augen auch fair.

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