Der Markt mit Digitalen Audio Workstations ist recht übersättigt. Es gibt die großen Player, die sich am Markt etabliert haben. Es gibt die Mitläufer, die immer hinterher hetzen und versuchen etwas vom großen Kuchen zu ergattern. Und es gibt die Underdogs, die einfach seit Jahren ihr eigenes Ding machen. Reaper ist ein solcher Underdog.
In den 90ern hat Justin Frankel Winamp programmiert. Der Media Player war ein Riesenerfolg und 1999 kaufte AOL das Teil für schlappe 100 Millionen Dollar. Frankel blieb noch ein paar Jahre im Entwicklerteam, hatte 2004 aber die Schnauze voll und gründete im selben Jahr Cockos.
Er wollte mit Cockos Effektsoftware schreiben, die auf kleiner Hardware läuft und auf der Bühne live zum Einsatz kommen konnte. Diese Software nannte sich damals JSFX (der Name hat nichts mit JavaScript zu tun. JS steht für JesuSonic). Frankel wollte aber im Softwarebusiness bleiben und keine Hardware produzieren. Er hasste die damals aktuellen DAWs und wollte es besser machen. So ist dann Reaper entstanden. Die JSFX Technik ist übrigens immer noch in Reaper integriert.
Am 23. August 2006 wurde die Version 1.0 der DAW veröffentlicht und von da an wuchs die Community stetig. Damals gab es nur eine Version für Windows und der Download war gerade mal 1.3 MB groß. Mittlerweile sind wir bei Version 6.6 angekommen und noch immer ist die Downloadgröße bei nur ca. 15 MB … je nach Betriebssystem.
Das oberste Ziel von Frankel war immer, eine unabhängige Software zu schaffen, deren Prämisse nicht der Profit ist und die nicht von einem großen Konzern geschluckt wird. Das Geschäftsmodell ist äußerst fair. Man kann die DAW herunterladen und installieren (Mac, Linux und Win) und sie 60 Tage lang ohne Bedenken und voll funktionell testen.
Danach erscheint beim Starten von Reaper die Erinnerung, dass die Testphase abgelaufen ist und man eine Lizenz erwerben müsste. Falls man das nicht macht, wird man trotzdem nicht ausgeschlossen. Die Software funktioniert in jedem Fall weiterhin. Eine private Lizenz kostet nur 60,- € und falls man Geld mit Reaper verdient, gibt es eine Business-Lizenz, die dann 225,- € kostet. Absolut fair!
Die Installation der Software enthält über 200 Audio- und Midi-Effekte. Ein großer Teil davon sind die JSFX Plugins, deren Quellcode man auch einsehen und bearbeiten könnte. Außerdem kann man sie mittlerweile auch in anderen DAWs benutzen. Reaper unterstützt alle möglichen weiteren Plugin-Formate: VST, VST3, AU, DX, JSFX, haufenweise Audio-Treiber und Audio- und Video-Formate.
Ein großer Pluspunkt der DAW ist die Performance. Wenn man Reaper das zweite mal startet (beim ersten mal werden zunächst alle Plugins gescannt), dann geht das rasend schnell, selbst auf älteren Rechner. Natürlich hängt die Performance auch immer von der jeweiligen Maschine ab.
Die Entwickler haben das GUI einfach gehalten, damit das Wichtigste – die Audio-Leistung – genug Resourcen des jeweiligen Computers zur Verfügung stehen.
Reaper ist verdammt flexibel, was die Tracks und Routing angeht. Hier gibt es nur Tracks. Diese können entweder Instrumente, Audiomaterial oder Effekte enthalten. Reaper macht hier keinen Unterschied. Oberflächlich sieht die Software ziemlich einfach aus, aber unter der Haube hat man so viele Möglichkeiten…
Bei jedem Effekt eines Tracks gibt es ein paar Modulationsmöglichkeiten. Jedem Parameter kann man entweder einen LFO zuweisen, oder man moduliert ihn anhand des Audiosignals eines anderen Tracks (Sidechaining). Die Möglichkeiten sind sehr vielseitig und man kann sie leicht übersehen. Natürlich kann das System mit dem von Bitwig nicht ganz mithalten…
Reaper ist außerdem bekannt für die flexible Anpassung der Software an eigene Bedürfnisse. Man kann alles ganz nach seinen Wünschen einstellen – egal, ob Aussehen, Menüs, Verhalten. Diese DAW darf sich richtig flexibel nennen. Jeder Prozess kann in einer Action zusammengefasst und abgespeichert werden. Es gibt eine Action-Liste mit über 4.000 Actions, die man komfortabel aufrufen kann.
Mithilfe von LUA-Skripten kann man die Funktionalität der DAW auch erweitern. Diese Skripte kann man auch mit anderen teilen. Womit ich zum letzten Pluspunkt der DAW komme: Die Community. Diese ist riesig. Das offizielle Forum ist einfach toll und es beteiligen sich so viele Leute an der Entwicklung von Themes, Erweiterungen und JSFX-Plugins!
Ansonsten findet man in Reaper alles, was man in anderen DAWs auch findet: Audio-Recording, Midi-Editing, Automation, Comping, Freezing, Rendering, Video-Einbindung, … Es fehlt eigentlich nichts.
Es ist wahrscheinlich so, dass viele diese DAW nichts Ernst nehmen, weil sie zum einen verdammt günstig ist und zum anderen weniger Wert auf eine ultraschicke und moderne Benutzeroberfläche legt. Die nativen Plugins, sehen teilweise etwas altbacken aus, was aber nichts über deren Qualität aussagt. In meinen Augen macht man einen Fehler, wenn man dieser Software keine Beachtung schenkt. Mir ist Reaper in den letzten Monaten schon irgendwie ans Herz gewachsen…
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